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Jan Schirrmachers Web

Die Kieler Woche 2016

Von Jan Schirrmacher für den VFS

Ich habe für euch die Kieler Woche mehrfach besucht und mich an der Rampe bei den blauen Kisten aufgehalten. Dabei habe ich einige der besten Segler der Welt gesehen und für euch fotografiert. Sie kommen aus der ganzen Welt zu uns und sind begeistert von der Organisation und den Bedingungen in unserem schönen Schilksee an der Kieler Förde.

Rui Silveira
Rui Silveira von den äußeren Azoren

Zu der besonderen Atmosphäre zählt für mich die Möglichkeit mit den Seglern ein paar Worte zu wechseln und ein paar lockere Bekanntschaften zu knüpfen. So lernte ich auf der Bank beim DGzRS-Häuschen Rui Silveira von den Azoren kennen. Er ist mit dem Laser-Standard hier angetreten und hat einen respektablen 19. Platz erreicht. Ein anderer Laser-Segler ist Calum Rosie aus Südengland. Calum ist neben dem Laser-Radial diesmal auch mit dem Laser-Standard angetreten, einfach zum Spaß und um auf dem "großen" Laser Übung zu bekommen.

Bei solchen Gesprächen bekomme ich interessante Einblicke. So erzählte mir ein Vater aus England, den ich unterhalb von Bülk mit seinem Fernglas traf und der seinen Sohn auf einem 29er beobachtete, dass die RS-100 in England bereits viele Anhänger hat und große Regatten zustande kommen. Der RS-100 gilt als moderner, skiffähnlicher Ersatz für den Laser, der als Klasse schon in die Jahre gekommen ist.

49er-FX

Magnify Schwestern Wedemeyer
Die Schwestern Wedemeyermit ihrem 49er-FX nach dem Medal-Race am abschließenden Sonntag

Dieses Jahr stand der olympische Teil der Kieler Woche im Vorfeld der olympischen Spiele in Rio. Für viele Spitzensegler war sie ein letzter Test, insbesondere für unsere Equipe auf dem 49er und 49er-FX, den spektakulärsten olympischen Klassen.

Der 49er-FX ist das aktuelle Skiff für die Spitzensegler. Der FX ist für leichtere Besatzungen als der 49er und wird meist von Damen gesegelt. Es ist immer ein toller Anblick 49er-Besatzungen Ein- und Auslaufen zu sehen. Die Boote sind hochagil, wiegen 90kg und haben ein mächtige Besegelung mit ihrem Gennaker. Ab mittlerem Wind bildet das Besatzungsgewicht die entscheidende Gegenkraft zum Segeldruck und so turnen die Besatzungen auf den weiten Auslegern - den Flügeln - hin- und her um die Fuhre zu balancieren.

Unser Vereinsskiff - der Laser 4000 - bietet uns einen Eindruck vom Anspruch solcher Boote. Der Schlüssel liegt in der gemeinsamen Balance der Besatzung. Er hat die ältere Form der Ausleger - von Rohren gestützte Trampoline anstatt GFK-Flügeln.

Magnify Jurczok/Lorenz
Unser Olympia-Team Victoria Jurczock/Anika Lorenz

Beim Anlanden kann man sehen, wie schwierig die Boote zu händeln sind. Selbst den Profis passieren mal kleine Karambolagen, die aber bis zum nächsten Tag repariert sind. Die Besatzungen haben ein inniges Verhältnis zu den filigranen Booten und man erkennt bei genauem Hinsehen die Reparaturen. Von mehreren Besatzungen erfuhr ich, dass sie die Boote untereinander handeln. Ein gebrauchter, etwas ramponierter Rumpf kann noch 14.000€ kosten. Die Boote, die in Rio gesegelt werden, sind bereits dort. Auf der KW wird das verbliebene Material gesegelt.

Das Rigg des 49ers wird vor dem Rennen getrimmt durch die Wantenspannungen. Im Rennen ist gerade Zeit für die Bedienung von Cunningham und Kicker (Baumniederholer). Der Gennaker und der Gennakerbaum werden wie bei unserem Laser 4000 mit einer Leine aufgeholt und eingezogen. Allerdings wird der Gennakerbaum nicht wie beim Laser 4000 richtungsgetrimmt.

Auf raumen Kursen kommt der Gennaker ins Spiel. Die Besatzung steht dann im Trapez auf der achteren Ecke, damit der Rumpf auf dem Heck gleitet. Am Wind wendet das Skiff mit einer Selbstwendefock, der Vorschoter übernimmt die Großschot.

Das Skiff ist durch seine Leichtigkeit und die geringe Rumpfstabilität für das Konzept "Schneller als der Wind" ausgelegt. Der Regattakurs wird stets in Windrichtung gelegt. Dadurch gibt es einen Upwind- und einen Downwind-Kurs. Klar, dass ein Skiff Upwinds aufkreuzt. Dabei ist der Gennaker nicht gesetzt und ruht einem Schlauch an Deck. Downwinds erzeugt das Skiff, um schneller zu sein als der Wind, aus achterlichem, wahren Wind einen scheinbaren Wind von vorn. Es segelt also vor dem Wind kreuzend mit dem Gennaker. Im Replay des Medalrace der 49er auf www.kielerwoche.tv kann man das alles sehr schön sehen.

49er

Magnify Burling/Tuke
Die Kieler-Woche-Gewinner und unbestrittenen Olympia-Favoriten Peter Burling und Blair Tuke
Blair Tuke
Blair Tuke

Die deutschen Besatzungen hatten das Glück, dass das derzeit beste Team der Welt Burling/Tuke in Kiel war. Diese Burschen machen keine Fehler und gewannen die Königsklasse souverän.

Schaut euch mal dieses Foto eines professionellen Fotografen an. Tuke sieht darauf aus wie der Superheld aus einem Marvel-Comic. "In echt" sehen die Jungs nicht so zum fürchten aus und sprechen wie normale Menschen. Das Team segelt nebenbei auch den AC72 des Americas Cup. Seit langem plädiere ich für die Beschaffung eine AC72 für den VFS. Aber der Hafenbetreiber will kein Hafenbecken für uns bauen.

Magnify Heil/Plössel
Die deutschen Olympia-Kandidaten Erik Heil und Thomas Plössel

Das deutsche Team für Olympia steht fest: Erik Heil und Thomas Plössel aus Kiel. Die Kieler Woche verlief nicht so erfolgreich für die beiden und sie kamen auf den 9. Platz. Als Trainingspartner fahren mit ihnen nach Rio das Team Justus Schmidt und Max Böhme. Diese beiden landeten auf der KW auf Platz zwei und es wurde spekuliert, warum Heil/Plössel nicht ihre Spitzenleistung zeigen konnten. Vielleicht lag es am Material, weil ihre Boote bereits in Brasilien sind und sie den Grundtrimm ihres Ersatzgerätes nicht hinbekamen?

Am letzten Sonntag werden die Medalraces gefahren. Das sind die Abschlußregatten der jeweiligen Klassen und es es nehmen die 10 besten daran teil. Dieses Jahr waren die Bedingungen großartig. Beim Zieleinlauf der 49er kam es zu einer spannenden Situation. Die dänische Besatzung Warrer/Lübeck lag knapp auf dem dritten Platz hinter Schmidt/Böhme und versuchte durch eine Halse zum Backbordbug sich auf den letzten Metern vor der Ziellinie die Vorfahrt gegenüber Schmidt/Böhme zu erzwingen. Die beiden reagierten aber nicht mehr und schossen über die Ziellinie, den Blick ängstlich zur Rennleitung gerichtet. Dem sofortigen Protest der Dänen wurde nicht stattgegeben. Nach dem Rennen hörte ich, wie Justus Schmidt die Situation berichtete und respektvoll vom gewieften Taktieren der Dänen sprach.

Das österreichische Team Bildstein/Hussl gewann das 49er-Medalrace. Ich sprach mit den beiden und fragte wo sie in Österreich trainierten. Sie erklärten mir, dass sie ihr Training auf den Veranstaltungen hätten. Die Teams nehmen weltweit an den wichtigen Veranstaltungen teil und schicken Container mit ihrer Ausrüstung voraus. Die deutschen Teams haben mit ihrem Stützpunkt Schilksee einen gewissen Vorteil. Schön, dass die Landesregierung den Standort fördert, wie es vor Kurzem in der Presse stand.

Der Bruder von David Hussl - Raphael Hussel - segelt auf dem 49erFX mit seinem Steuermann Matthäus Hofer. Mit letzterem sprach ich ein paar Tage zuvor, als er das Boot vorbereitete. Sie hatten den gebrauchten Rumpf aus Neuseeland gekauft und sind jetzt im Zirkus dabei.

Laser

Magnify Phillip Buhl
Startet für Deutschland in Rio Philip Buhl

Philip Buhl ist derzeit erster der Weltrangliste auf dem Laser Standard. Er ist Sportsoldat, trainiert in Kiel und hat die Kieler Woche mehrfach gewonnen. Zur Zeit fühlt er sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere und er ist ein klarer Favorit für die Goldmedaille, so wie Burling/Tuke auf dem 49er.

Die Verhältnisse auf der Laser-Jolle sind ganz andere als auf dem 49er. Zunächst einmal ist das Verhältnis Segelfläche/Gewicht kleiner als beim 49er:

Bootm²/t am Windm²/t raum
Laser5252
49er92257

Der Laserpilot lebt von der athletischen Arbeit durch Wind und Wellen. In dem riesigen Feld von Teilnehmern an einer Regatta muss der Beste einfach alles beherrschen, was es an Laserwissen und -können gibt, um dem kleinen Boot das Äußerste abzutrotzen. Er benötigt mehr Gespür für Wind und Wellen und mehr Kondition und Kraft als der 49er-Segler.

Auf dem 49er ist die Hauptaufgabe durch Schnelligkeit und Balance der Kraft des riesigen Gennakers etwas entgegenzusetzen - und das synchron mit dem Parter. Die Abstimmung im Team ist hier elementar wichtig. Ganz anders der Laser - hier wird jede Welle beobachtet, jeder kleine Vorteil genutzt. Bei kräftigem Wind reitet der Pilot weit aus, die Füße vom Ausreitgurt gehalten. Er hat kein Trapez und hält sich durch die Kraft aus Bauch- und Rücken. Gleichzeitig reitet er dynamisch Wellen und Böen aus. Die körperliche Kondition ist entscheidend.

An einem kalten, grauen Morgen nach der KW wollte ich morgens vor der Maloche noch ein wenig über die Förde flitzen. Dort sah ich Phillip Buhl und einen Trainer mit Rip bei seinen Vorbereitungen. Vor der Olympiade wollte er insbesondere den Start üben, weil dieser ein entscheidendes Element des Rennens ist. Es herrschten 5 Bft aus süd-westlichen Richtungen und wir waren die einzigen Segler auf der grauen Förde. Zum Glück war das Wasser bereits warm und man fror nicht mehr in der Gischt wenige Zentimeter über den Wellen.