Atomek
Drawa 2022

Übersicht

Ich beschreibe hier meine 2-tägige Kajaktour im Juli 2022 auf der Drawa von Czaplinek nach Drawsko Pomorskie.

Die Fahrt habe ich alleine gemacht, ausgerüstet mit meinem Seekajak Prijon Seayak, Zelt, Kochgeschirr und Kamera.

Die Drawa ist ein kleines aber langes Flüsschen, das 186 km durch Hinterpommern fließt und in den Noteć (die Netze) fließt, einem Nebenfluß der Warta (Warte). Sie ist in Polen bekannt als Paddelparadies. Die Polen paddeln gern und man kann hier gut ein Kajak mieten mit Abholservice. Entsprechend gut ist hier auch die touristische Infrastruktur für einen Paddel-Urlaub.

In Polen ist wildzelten nicht mehr zulässig, weil die Motorisierung der letzten Jahrzehnte, genau wie bei uns in den 50ern, zu den naheliegenden Problemen mit Dreck und Chaos geführt hat. Es gibt aber kleine Biwak-Plätze, die oft nicht von der Straße zugänglich und recht naturnah und kostengünstig sind.

Start in Czaplinek auf dem See Drawsko

Start Magnify
Einsetzen in Czaplinek

Der See ist vergleichbar mit dem Plöner See von Größe und Charakter. Julita und Ernest haben mich hergefahren und beim Abladen geholfen. Es ist warm aber windig und wechselhaft und wir besorgen in Czaplinek in der Księgarnia (Buchhandlung) eine laminierte Karte der Drawa für 12 zł (ca. 2,50€).

Auf dem großen Jez. Drawsko

Um 13:30 starte ich. Ich habe mir den Abfluss der Drawa aus dem See gemerkt. Der Wind hat mind. 4 Bft und kommt von vorn. Auf dem See bilden sich deutliche Wellen, die schon zu brechen beginnen. Das ist für das vollbeladene Seekajak kein Problem. Die Fuhre schiebt sich mit ihren 160 kg mitten über den See wie einst die stolze Bismarck durch den Nordatlatik. Sonst sehe ich kaum Kajaks auf dem See, nur im Uferbereich aus der Ferne.

Auf einem See bei Wind trage ich Schwimmweste und Spritzdecke. Mein Seekajak fühlt sich unter diesen Bedingungen wohl, denn "Länge läuft", wie man so schön sagt. Dafür hat es auf den engen Passagen eigene Probleme, wie wir später sehen werden.

Auf dem See sind einige Segler unterwegs. Die Charteryachten erkennt man an den flatternden, schlecht getrimmten Segeln :-). Es sind große Jollenkreuzer, die für die polnischen Seen hier von den Werften gebaut werden. Der Wind ist eigentlich schon für ein Reff ausreichend. Da stünde das Groß besser, als schlicht die Schot zu öffnen, um den Druck rauszulassen. Aber egal - nicht meine Sorge.

Maschinka Magnify
Die Maschinka will nicht

Ich kämpfe mit meinen eigenen Sorgen - dem Hunger. So lege ich nach einer Stunde an irgendeinem Ufer an und baue meine Maschinka auf, um mir ein Süppchen warm zu machen. Sie ist ein Benzinkocher und sehr alt und russisch, hat mich aber nie im Stich gelassen. Heute will sie nicht so recht laufen. Sie fördert zwar Sprit in die Düse, aber zu wenig - die Flamme blakt und bleibt schwächlich. Ich mache mir Sorgen. Boykottiert sie mich? Steckt Putin dahinter?

Doch plötzlich gibt es eine kleine Explosion mit Qualm und Stichflamme. BOFF - sie ist wieder da und faucht wie in alten Tagen, wie eine Suchoi mit Nachbrenner oder wie ein Katjuscha. Sie musste nur den alten Teer-Rotz loswerden, der sich irgendwo gesammelt hatte. Alles ist gut, das Süppchen wird warm und einen Kaffee gibt es auch noch. Jetzt kann der Urlaub beginnen.

Seefahrt Magnify
Auf dem See Weste, Spritzdecke und festgebundenes Paddel

Nun beginnt der komplizierte Teil des Sees, wo ich den Abfluss finden muss. Man muss sich die Buchten und Landmerkmale ansehen und mit der Karte vergleichen. Das ist gar nicht so einfach, aber ich habe aus Schweden mit der Navigation in den Schären Erfahrung. Dort half zusätzlich der Kompass, aber der wäre hier albern.

Drawa-Abfluss Magnify
Hier fließt die Drawa aus dem See

Gegenüber von Stary Drawsko finde ich die richtige Bucht und am Ende den Abfluss. Er ist gekennzeichnet durch ein Seezeichen. Als Kajakfahrer plane ich die Fahrt immer mit dem Strom. Wir folgen der Drawa also zu ihrer Mündung. Das machen alle so und das geht in manchen Bereichen auch nicht anders. Man denke an Stromschnellen, Gegenverkehr in der Schilfzone und die Länge des Flusses.

Zum Jez. Rzepowskie

Wald bis zum Jez. Rzepowskie

Als ich den ersten Abschnitt der Drawa - den kurzen Weg in den nächsten See, den Jezioro Rzepowskie (Jeschioro Schepowskie, Jezioro=See) fahre, erschrecke ich, denn es ist finster, flach und voller Gestrüpp und Bäume - wie soll ich da mein Etmal schaffen? Doch seht selbst im Film.

Die Drawa hat viele Gesichter - dieses ist nur eines davon. Aber auch das macht ihren Reiz aus, neben der schieren Länge und der üppigen Natur. Die Waldvögel sind munter und die warme dumpfe Waldluft ist voller Insekten. Die Sonne schickt helle Strahlen durchs Blätterdach in das klare Wasser. Der Boden ist sandig und Muscheln sind zu sehen. Die Drawa ist hier breit und flach. Es ist aber kein Problem die Hindernisse zu umfahren.

Durch den Jez. Rzepowskie

Durchfahrt Jez. Rzepowskie

Es ist ein kleiner See, den ich in 20 Minuten durchfahren. Auch hier ist es windig, aber es bilden sich kaum Wellen. Auf der Karte sehe ich zunächst nach dem Abfluss. Da die meisten Seeufer hier schilfgesäumt sind, muss man eine Lücke im Schilf suchen. Das Wasser ist so warm wie die Luft. Es hat bereits im Juni eine Hitzewelle gegeben.

Einfahrt in die Drawa

An der Ausfahrt ist ein kleines Pole Biwakowy (Zeltplatz). Ich erinnere mich! Ich war hier vor 30 Jahren schon einmal. Jetzt ist hier eine Gruppe mit Mietbooten. Ich meine auch Englisch zu hören. Man grüßt sich. Überhaupt - immer wenn man jemandem begegnet, werden nette Bemerkungen ausgetauscht, mindestens ein "Dobry". Muss noch raussuchen was przyjemność heißt. Das rief mir einer zu. Er hat mir wohl zugerufen - "herrliches Vergnügen, alleine". Das war sehr nett gemeint, als ich im Wald vorbeitrieb. Es ist mir etwas peinlich, wenn ich dann nicht alles verstehe und unbeholfen antworte.

Zwischen Jez. Rzepowskie und Jez. Krosino

Ich sehe eine Fledermaus über dem Fluss im Wald herumflattern. Vielleicht ist es eine Wasserfledermaus. Überhaupt sieht man jede Art von Getier - Libellen, Wasserläufer, Fische, Schlangen, Schwäne, Wasserläufer (Vogelgruppe), Kormorane, Reiher, Kraniche usw. Nur den Seeadler kriege ich diesmal nicht zu Gesicht. Auch der Eisvogel zeigt sich nicht, obwohl es in hier geben muss.

Ein Wort zu den Flußlandschaften

Stromschnellen

Die Drawa kann auch anders! Nach der Ausfahrt aus dem See gibt es unter der Brücke zornige Stromschnellen. Es ist hier flach und steinig, sodass mein Boot über die Steine schrammt. Die Drawa ist nichts für empfindliche Rümpfe. Wegen der vergangenen Wasserknappheit des Frühjahres ist die Drawa etwa 20cm zu tief, wie man am Ufer erkennen kann.

Allgemein führt sie genug Wasser für den Kanuten, aber bei niedrigen Ständen schrammt man an gewissen Stellen über steinige Abschnitte. Ich habe folgende Flusscharakteristiken auf dieser Fahrt kennengelernt:

Wassermühle Magnify
Wassermühle Rzepowo

Die Drawa ist insgesamt recht naturnah. Sie hat oft noch den mäandernden Verlauf, den sich der natürliche Fluss durch die Landschaft gräbt. In manchen Bereichen, z.B. vor dem Jez. Lubie, hat man ihr viele hektargroßen Raum gelassen, den sie sich mit herrlichen Mäandern einteilen konnte. Diese Zonen sind von Hügeln begrenzt, an denen die Steilufer nagen.

Hier versuche ich natürlich zu gucken. Es misslingt.

Doch weiter auf dem Fluß... Vor dem Jez. Krosino gibt es das erste echte Hindernis - eine alte Wassermühle. Hier muss ich das Boot "umtragen". Das geht nur zu zweit und hier ist niemand sonst. Aus- und einpacken ist mir zu zeitraubend. Es muss auch so gehen. Der Boden der 20m-Strecke ist schwarzer feiner Sand und ich schleife das Boot drüber. Es wiegt mindestens 80 kg. Es ist ein Buckel von ca. 2,5 Metern über dem unteren Wasserstand zu überwinden. Der Abstieg hat große Steine.

Unten angekommen mache ich eine Pause mit Selfie. Da ich noch einen See vor mir habe, behalte ich Weste und Spritzdecke an.

Jez. Krosino

Einfahrt Jez. Krosino

Der Jez. Krosino ist von mittlerer Größe. Auch ihn durchfahre ich schnell, wobei der Wind schön von hinten pustet. Am anderen Ende, wo die Drawa den See wieder verlässt, liegt eine polnische motorisierte Einheit, die die Gebäude der ehemaligen NS-Ordensburg Krössinsee nutzt.

Jez. Krosino Magnify
Jez. Krosino

Auf dem Foto erkennt ihr vielleicht ganz klein zwei Türme neben dem Bug des Kajaks. Es sind die zwei realisierten von vier geplanten Türmen der Ordensburg in der die NS-Herrschaft ihre Elite züchten wollte. Sie erheben sich noch heute hoch über das polnische Land. Also die Türme, nicht die Eliten.

Kleiner Sprachkurs am Rande: Krosino wird Deutsch etwa wie Kroschino ausgesprochen. Normal haben wir beim R die Zunge hinten und beim SCH die Zunge vorn oben. Probiere es einmal anders: Bei R die Zunge vorn und beim SCH die Zunge vorn unten, also das R rollen und das SCH mehr wie CHI (aber nicht ganz). Sprich die Vokale O und I kurz und betone die vorletzte Silbe, dann klingt es schon ganz gut polnisch.

Durch den Wald nach Jez. Krosino

Nach dem See folgt eine schöne Waldstrecke mit Schilf und Seerosen. Ich treffe auf einen Richtungspfeil, den ich nicht richtig interpretieren kann und fahre prompt falsch.

Blinder Abzweig zum Jz. Wilczkowo

Nach dem Abzweig ist kaum Strömung und es gibt mehr Algen - auch ein Hinweis auf wenig Strömung. Ich vermute schon, dass ich auf dem falschen Zweig bin, will es aber nun wissen. Es ist tatsächlich der Abzweig vom Jez. Wilczkowo. Macht aber nix, denn der Umweg ist nicht lang und ich werfe einen Blick auf den See.

Strömungen

Die Drawa entspringt vor dem Reservat des Tales der Fünf Seen (poln. Rezerwat Dolina Pięciu Jezior). Von dort sammelt sie das Wasser aller Gegenden auf, die sie durchfließt - sie nimmt also immer mehr Wasser auf, gibt aber auch durch Verdunstung und vielleicht etwas Wasserentnahme auch etwas ab.

Nehmen wir an, es sei eine beständig wachsende Wassermenge ab der Quelle, die es zu transportieren gilt. Ich schätze die Menge auf 4 m3/s, nur um einmal einen Anhaltswert zu liefern. Die mittlere Strömung hängt nun zunächst vom Querschnitt ab.

Geschätzte mittlere Strömung bei 4 m/3 Durchsatz
SituationQuerschnittMittlere Strömung
Wald hinter Jez. Krosino20m x 0.4m = 8 m20.5 m/s
Stromschnellen Brücke Rzepowo6m x 0.15m = 0.9 m2 4.4 m/s
Durch die Felder4m x 1.5m = 6 m20.7 m/s

Nun ist aber die Strömung über den Querschnitt nicht gleich. Sie ergibt nur als Integral der lokalen Strömung über die Fläche den Wert 4 m3/s. Die Verteilung über die Fläche hängt auch ab von:

Praktisch folgt für mich als Kajakfahrer daraus, wo hohe Strömungen zu erwarten sind:

Dort wo der Fluss nicht vom Menschen gezwungen wird, überlegt er sich selbst, wie er am besten fließt. Dazu zwingt in neben der aufgezwungenen Wassermenge auch das Gefälle. Das natürliche Gefälle der Drawa ist gering und und wird mit 67 cm/km angegeben. Aber es kann lokal davon abweichen und wird in Gebieten mit Feldern und Wiesen eher geringer sein.

Der Durchsatz schwankt abgesehen von der Zunahme durch die Entfernung von der Quelle auch mit der Niederschlagsmenge, dem Schmelzwasser und der Verdunstung, die alle wiederum von der Jahreszeit abhängen. Generell ist im Frühjahr mehr zu erwarten. Die Seen und Sumpfgebiete können als Puffer dienen, die schnelle Änderungen abfedern.

Ok, es ist kompliziert, aber ich habs versucht. Also ich fasse zusammen: Keine Ahnung aber irgendwie fließt es. Die Drawa weiß selbst, nicht wie es geht - sie geht einfach den Weg des geringsten Widerstandes.

Übernachtung

Der Tag war anstrengend und ich beschließe mir einen Schlafplatz zu suchen. Irgendwo finde ich eine kleine Wiese, ziehe das Kajak an Land, baue das Zelt auf und mache Essen und einen Instantkaffee mit Milch. Mücken sind nur wenige da.

Mückenspray Magnify
Polnisches Mückenspray. Nebenprodukt der Giftgasforschung.

Zur Verwendung des polnischen Mückensprays

Zu essen gibt es drei Scheiben Schwarzbrot mit Butter und Hering in Tomatensoße - meinem Standard-Kajak-Abendbrot. Ich sitze auf dem Steg trinke meinen Kaffee und lasse die Füße im Wasser, weils so bequemer zu sitzen ist. Nach ein paar Minuten ziehe ich sie raus und OH SCHRECK: auf dem rechten Fuß sitzt ein großer Blutegel (5 cm). Auch er will Abendbrot. Außerdem hat er ca. 30 Kleine mitgebracht (2-3 mm). Ich wische sie alle ab. Der Große hat eine blutende Wunde hinterlassen. Ich hatte nix gespührt. So ein Halunke. Jetzt habe ich keine Lust mehr auf ein Bad. Hier ist schwarzer, mulchiger Grund.

Funfact: Blutegel heist auf polnisch Pijawka. Das ist wieder so ein total niedlicher polnischer Name, es ähnelt dem Wort für einen Trinker und klingt so wie Trinkerchen.

Zelt
Mein Biwak.

Ich höre irgendwo Marschmusik und Kommandos. Das muss die in der Nähe stationierte Einheit sein.

Bereits gegen 19:00 gehe ich schlafen. Im Zelt ist es gemütlich mit einer richtigen Luftmatratze und Decke unter dem Schlafsack. Schwimmweste, Jacke und Handtuch bilden das Kopfkissen.

Nachts Magnify
Herrliche Sommernacht.

Ich schlafe sehr gut, muss aber ein paar mal aufstehen und kriege die kühle Sommernacht mit einem tiefstehenden Vollmond mit. Die Geräusche der Nacht sind ganz andere als am Tag. Einmal versammelt sich ein Chor schrill krächzender Vögel - vielleicht junge Eulen. Eine sitzt dicht beim Zelt.

Die Nacht ist kühl und feucht bei klarem Himmel. Jetzt Mitte Juli ist die Sonne noch lange hinter dem Horizont wahrnehmbar. Über dem Wasser steigt Nebel auf.

Libelle Magnify
Großer Blaupfeil

Habe herrlich und lange geschlafen und so real geträumt von meinem Zeltplatz. Hinter meinem Zelt stand im Traum ein bewohntes Haus und ich sagte mir, das muss ein Traum sein, denn ich hatte nachgeschaut - es war dort nix. So konnte ich weiterträumen im Bewusstsein, dass es ein Traum ist. Kann aber jetzt darum auch kein Foto zeigen.

Nach dem Aufwachen lausche ich den Vogelstimmen. Ich höre Specht, Pirol, Kuckuck, Rohrschwirl, Rohrsänger und Kranich.

Frühstück
Frühstück

Gegen 7:00 stehe ich auf und die Sonne brennt bereits aufs Zelt. So kann es schnell trocknen. Mache mir das Standard-Kajak-Frühstück mit Müsli und Obst und Milchkaffee. Brauche Energie. Danach packe ich ein und lege ab.

Złociniec - Beginn der Wiesen, Felder und Schilfgebiete

Schilfzonen

Jetzt verlasse ich die waldigen Gebiete und komme in Landschaften mit Sumpfgebieten und Wiesen und Feldern. Die Drawa kann sich hier Feuchtgebiete schaffen, wo der Mensch sie nicht bedrängt. Hoher, dichter Schilf ist nun vorherrschend, der manchmal nur eine enge Fahrrinne läßt in der man kaum Platz fürs Paddel hat. Es ist dschungelartig und ich fühle mich wie in einem Amazonasnebenarm. Hier leben Vögel wie Rohrschwirl und Rohrsänger. Man hört sie, sieht sie aber kaum.

Weißer Teppich

Die Wasser-Flora ist abwechslungsreich. Ich nehme an, dass das mit den wechselnden Böden, Wassertiefen und Strömungen zusammenhängt. Meistens gibt es bestimmte Pflanzengemeinschaften. Viele Blütenpflanzen blühen gerade. Hier sieht es aus wie ein Teppich aus Schnee.

Tote Bäume

Es gibt auffällig viele tote Bäume und Baumgruppen. Ich erkläre mir das damit, dass der Fluss dort, wo er es kann, ständig sein Bett ändert. Damit verändert er die Lebensräume auch der Bäume und lässt sie austrocknen und umstürzen. Oder die Wurzeln werden unterhöhlt und der Baum stürzt um oder am Steilhang sogar ab.

Man sieht schon das Städtchen Złociniec. Ein Reiher fliegt auf.

Einmal ist eine ganze Baumreihe in den Fluss gestürzt. Der Fluss hat sich dann hinter den Wurzelballen ein neues Bett gegraben, durch das ich passieren kann. Meistens gibt es einen Durchlass. Nur 2 Mal muss ich das Kajak über oder unter einen Baum manövrieren nachdem ich ausgestiegen bin. Dann muss ich auf dem Baum balancieren, da das Wasser viel zu tief ist. Die Drawa hat manchmal 2 m Wassertiefe.

Das Städtchen Złociniec. Hübsch hier.
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Das Städtchen Złociniec ist gut auf den Kajakverkehr eingestellt. EU-Mittel haben dazu beigetragen. Ich lege an und mache eine Pause. Der Blick über den Fluss zum Städtchen mit Kirche ist hübsch.

Die Karte sagt, dass man bei der Stadtpassage umtragen muss. Ich erreiche die Stelle und fragen zwei Männer, die dort gerade ankommen, ob sie mir helfen mögen. Man erklärt sich gern bereit. Es gibt eine alte rollengelagerte Rampe auf der ich das Kajak 2 m zum Straßenniveau hochwuchte. Wieder freue ich mich über meine robuste Plastikschüssel. Wir tragen das Boot 50 m auf die andere Seite des Wehrs. Es ist verdammt schwer am Heck und ich wundere mich, dass mein Rücken nicht kollabiert. Das halbe Jahr Physio zuvor hat wohl geholfen.

Die lange Etappe nach Drawsko

Von nun an geht es überwiegend durch Wiesen und Felder, manchmal auch ein Waldrand und hinter Złociniec auch noch durch Schilfdickichte in Feuchtgebieten. Es ist insgesamt ein schwerer Teil, weil der Fluss bei viel Schilf mäandert und da kommt mein langes Fahrzeug an die Grenze seiner Manövrierbarkeit. Außerdem ist die Drawa hier oft zugewachsen und der Pflanzenteppich kostet Kraft.

Enge Schilfdickichte

Die ersten Schilfdickichte lassen kaum Raum für die Paddel. Ich muss frühzeitig die Kurven erkennen, damit ich sie innen richtig anschneiden kann, denn manche Kurven gehen bis 180° und sogar mehr. Dann ist es wichtig sich nicht nach außen tragen zu lassen.

Eisenbahnbrücke, Ort der Einleitung

Hinter Złociniec kurz vor der hohen steinernen Eisenbahnbrücke mündet ein Abwasserrohr in die Drawa mit schäumenden Fäkalien. Das ist unmöglich und wirft auf die Stadt mit ihren EU-Fördermitteln für das Marketing ein schlechtes Licht. Man hätte schon vor Langem lieber die EU-Richtlinien zur Gewässerreinhaltung umsetzen müssen. Auf den nächsten 10 km stinkt der Fluss nach Korruption, Fäkalien und versickerten EU-Gelder. Wenigstens gibt es heute nicht mehr soviel Müll im Fluss wie vor Jahrzehnten. Das Tourismus-Marketing macht viel Tamtam um den ollen polnischen Papst, der als junger Mann mal auf der Drawa unterwegs war. Da hat die Drawa auch nix von und ich finde es typisch für den scheinheiligen Katholizismus - Klimbim um den Papst, aber Jauche einleiten.

Magnify

Die Fahrt durch das Dickicht und die Kurven ist anstrengend und nach dreieinhalb Stunden brauche ich Kalorien und suche einen Platz zum halten. Das ist gar nicht so einfach, denn die Ufer im Bereich der Felder und Wiesen sind steil, schlammig und unangenehm bewachsen. Doch ich finde einen Platz, der zwar abschüssig ist, aber recht hübsch und ich kann mein Süppchen kochen. Linseneintopf von Erasco - sehr lecker nach der Arbeit.

Manöver

Eigentlich ist die Stelle unmöglich, weil es steil ist und dreckig und ich mit dem Benzinkocher hantieren muss und dem Boot, dass in den Fluss rutschen will. Aber es ist warm und mückenfrei. Ich sehe eine Ringelnatter durchs Wasser schwimmen.

Harte Arbeit

Die folgenden Kilometer sind anstrengend, es geht entweder durch enge Schilfbestände oder kurvenreiche Verläufe oder der Fluss ist zugewachsen. Immer wieder Baumhindernisse aber auch Bäume, die ihre Äste dicht übers Wasser strecken. Die Drawa scheint klein und still auf den Bildern, aber sie ist tief und transportiert brav ihre Wasserfracht.

Dicke Suppe in den Wiesen

In den Wiesen hindern oft die dichten Pflanzenmatten, aber ich komme voran und wofür habe ich die dicken Oberarme :-) Ich brauche eine Pause und finde einen einigermaßen geeigneten Anlegeplatz an einer kürzlich vom Bauern bereinigten Wiesenentwässerung. Sie ist schlammig, schmutzig und stachelig, aber es geht nicht anders...

Wiesenparker Magnify
Anlegeplatz in den Wiesen

Ich setze mich in die Sonne und schaue mich um. Im Kajak sieht man kaum etwas von der Umgebung, weil man immer mind. 1 m unter dem Gelände sitzt und das Ufer bewachsen ist. In dem Panoramabild bekommt ihr einen Eindruck. Mir fallen die Gruppen toter Schwarzerlen entlang der Drawa auf. Aber auch nördlich der Drawa gibt es solche Gruppen.

Panorama

Gibt es dort vielleicht auch einen Fluss? Ja... ich erinnere mich, dass hier nach der Karte irgendwo die Kokna (Küchenfließ) in die Drawa mündet. Das ist ein Flüsschen aus den sandigen Wäldern nördlich von hier, wo der Biber sein Unwesen treibt. Ich kenne die Kokna von meinen Radtouren her. Ich stärke mich und mache mich auf zum letzten Abschnitt meiner Tour.

Anspruchsvoll das lange Kajak durch die Kurven zu treiben

Nach dem Zufluss der Kokna führt die Drawa mehr Wasser und wird weiter. Aber sie beginnt zu mäandern und das macht es herausfordernd. Im Video seht ihr, wie ich arbeite. Überall gibt es hübsche blaue Libellen die Hochzeitsflüge vollführen. Es ist die Gebänderte Prachtlibelle.

Immer eine andere Taktik das Hindernis zu überwinden

Wie auf der ganzen Strecke, liegen hier plötzlich Bäume auf dem Wasser, die jedoch dieses Mal keinen Durchschlupf bieten. Ich klettere auf den Baum (es ist wie immer zu tief zum Stehen) und sichere Kajak und Paddel gegen forttreiben in der Strömung mit einer Leine. Hier kannst du sehen, wie ich das Kajak unter dem Baum hindurchmanövriere

Drawsko

Drawsko Magnify
Angekommen in Drawsko, warten auf den Transport in der Sommerwärme

Endlich komme ich in Drawsko an. Den letzten Teil kann ich euch nicht zeigen, weil der Akku der ActionCam alle war. Es ging noch durch eine hübsche Waldzone mit einem wirklich einladenden Zeltplatz. Kurz vor Drawsko haben sich am Ufer riesige Doldengewächse ausgebreitet, die vom Wasser spektakulär aussehen. Es ist der Bärenklau. In Drawsko angekommen entscheide ich mich für den nördlichen Zweig, mache am drawskischen Hauptanleger für Kajaks fest, rufe meinen Rücktransport an und setze mich in die Sonne.

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